Man stelle
sich folgendes Szenario heute vor: Zwei sich
feindlich gegenüberstehende Religionsströmungen
finden sich zusammen, um einen Vertrag über ihre
friedliche Koexistenz festzulegen. Was aus heutiger
Sicht kaum vorstellbar scheint, wurde schon vor 450
Jahren im so genannten "Augsburger Religionsfrieden"
erstmals in großem Rahmen und für große Teile
Europas ratifiziert. Der Friedensvertrag stellte die
Entschärfung des religiösen Konfliktes dar – und
dokumentierte zudem eindrucksvoll dessen weltliche
sowie dauerhafte Kompromisslösung.
Neben dem jährlichen "Friedensfest", einem auf Augsburg
in Bayern begrenzten Feiertag, der als einziger auf
der Welt den Frieden als Auftrag begreift, feiert
die Stadt nun das 450-jährige Jubiläum unter dem
Motto "PAX 2005" mit mehr als 200 Veranstaltungen
und einer umfassenden Ausstellung. Es geht um Themen
wie das Zusammenleben zwischen den Religionen heute,
besonders auch um die Frage, welche Rolle das
Religiöse für den globalen Terrorismus spielt.
Besonders dieser Frage stellen sich Konflikt- und
Terrorforscher sowie Sozial- und
Religionswissenschaftler in einem internationalen
Symposium.
Die geschichtlichen Hintergründe und Zusammenhänge des
Religionsfriedens von 1555 beleuchtet die
Ausstellung "Als Frieden möglich war" im Augsburger
Maximiliansmuseum vom 16.06. bis 16.10.2005.
Erwähnenswert hierbei ist, dass erstmals Exponate
aus Staatsarchiven und renommierten Museen wie z. B.
dem Metropolitan Museum in New York, dem Louvre in
Paris und der Royal Collection in London unter der
Schirmherrschaft des deutschen Bundespräsidenten
Horst Köhler in dieser Form gezeigt werden.
Hintergrund der Ausstellung ist zum einen die Situation
in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, mit
seinen Kriegen um die Macht in Europa und den
Kolonien in Amerika, seinen politischen und
religiösen Konflikten und der Versuch um eine Lösung
durch den Augsburger Friedensvertrag. Zum anderen
liefert die Ausstellung einen Blick auf die weiteren
Entwicklungen in Europa unter dem Einfluss des
Vertrages. Dabei wird seine absichtliche
Missdeutung, bis hin zum 30-jährigen Krieg und dem
darauf folgenden "Westfälischen Friedensvertrag"
(1654), der sich explizit auf die Kernaussagen des
Augsburger Friedens beruft, zur Abrundung der
Ausstellung mit angeführt.
Als Kaiser Karl V. 1519 die Macht im "Heiligen
Römischen Reich Deutscher Nation" als Monarchia
universalis (Allein-, Universalherrschaft) übernahm,
erstreckte sich sein Herrschaftsanspruch über weite
Bereiche Europas bis hin zu Kolonien in Amerika. In
seine Regierungszeit fielen insgesamt acht Kriege um
den Machtanspruch in Europa gegen Frankreich – und
die stetige Bedrohung durch das Osmanische Reich,
deren Truppen 1529 bis vor die Tore Wiens drangen
und erst dort von ihm zurückgeschlagen werden
konnten. Außerdem galt sein Kampf der durch Martin
Luther ausgelösten Reformation und der daraus
resultierenden Bildung des Protestantismus. Um die
innere Ruhe im Reich herbeizuführen, versuchte der
Kaiser diesen eigentlich geistlichen Konflikt durch
einen politisch erreichten Religionsfrieden zu
manifestieren.
Sieben
Monate dauerte dieses zähe Ringen um den weltlichen
Frieden. Die Vertreter Kaiser Karl V., die
katholischen und protestantischen Reichsstände,
handelten ein Gesetz aus, das das Zusammenleben im
Reich trotz unterschiedlicher Glaubensauffassungen
sichern sollte. Und mit dem Augsburger
Religionsfrieden, der am 25. Sept. 1555 auf dem
Augsburger Reichstag unterzeichnet wurde, war dies
auch gelungen.
Erst daraufhin begann eine Phase der inneren Ruhe in
Europa. Der Status quo war endlich festgelegt.
Jahrzehnte später stellten sich die Kompromisse und
Defizite im Friedensschluss jedoch als fatal heraus:
Die Grundideen des Augsburger Religionsfriedens
wurden missbraucht und die daraus resultierenden
konfessionellen Konflikte gipfelten im 30-jährigen
Krieg, der Anfang des 17. Jahrhunderts weite Teile
Europas zerstörte und weitgehend entvölkerte. Ein
weitreichenderer Friedensvertrag wurde notwendig und
1654 durch den "Westfälischen Friedensvertrag" auch
unter Berufung auf die Augsburger Beschlüsse
geschlossen.
Die übersichtlich und klar strukturierte Ausstellung
gibt mit ihren weit über 300 Exponaten einen
kurzweiligen und stimmigen Einblick in diese Epoche,
die auch heute noch diese für Europa und die USA so
wichtige Thematik behandelt. Um den Anspruch der
auch zahlreich aus den USA vertretenen Besuchern
gerecht zu werden, ist die Ausstellung zweisprachig
in deutsch und englisch konzipiert.
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