Und
wieder ist die
Republik über sich
erschrocken. Mit
ganzer Wucht trifft
sie die Erschütterung
über die Erkenntnis,
wie schlecht Ausländer
in Deutschland
integriert sind. Nicht
alle Ausländer
freilich, aber vor
allem jene, deren
Eltern vor mehr als 30
Jahren als
Gastarbeiter oder aus
dem arabischen Raum
eingereist sind. Ganze
Generationen von
Ausländern leben in
abgeschlossenen
Parallelgesellschaften,
vor allem in den
Gettos der Großstädte.
Die jüngsten von ihnen
rebellieren inzwischen
gegen Schulen und
Lehrer – jetzt bat das
Kollegium einer
Hauptschule in Berlins
früherem
Proletarier-Kiez
Neukölln um die
Auflösung seiner
Schule, weil ihnen zu
wenig Respekt entgegen
gebracht wird und
weil sie dadurch ihrem
Erziehungs- und
Bildungsauftrag nicht
nachkommen können.
Immer wieder mussten
Lehrer per
Mobiltelefon Hilfe
anfordern, da sie
sich allein nicht
gegen randalierende
Jugendliche
durchsetzen konnten.
Nur Tage zuvor hatte
eine Realschule in der
Stadt beschlossen,
dass auf dem
Schulgelände nur noch
Deutsch gesprochen
wird. In beiden
Schulen liegt der
Anteil von
nichtdeutschen
Schülern bei über 80
Prozent.
Deutsch – das Mittel
zur Integration? Seit
Wochen werden in
Deutschland
Fragebögen entworfen,
die jene Ausländer
beantworten sollen,
die eingebürgert
werden wollen: Wer hat
die Uranspaltung
entdeckt? Wie heißen
drei Philosophen?
Welche Mittelgebirge
gibt es? Am Anfang
stand eine Idee aus
Baden-Württemberg:
Bevor ein Ausländer
eingebürgert wird,
soll er beweisen, dass
er die deutsche
Sprache beherrscht und
die Werte der
Gesellschaft
anerkennt. Andernfalls
muss er einen Sprach-
und Orientierungskurs
besuchen. Bonmot am
Rande:
Baden-Württemberg
hatte 1999 für seine
Wirtschaftsregion
geworben – mit leiser
Selbstironie über die
schwäbische Mundart:
„Wir können alles.
Außer Hochdeutsch.“
Inzwischen hat auch
Hessen einen
Fragebogen erstellt,
was
Bundesinnenminister
Wolfgang Schäuble auf
die Idee brachte,
einen nationalen
Fragenkatalog zu
formulieren.
Vielleicht wird es
aber auch Interviews
nach amerikanischem
Vorbild geben – dies
schlägt Bayerns
Ministerpräsident
Edmund Stoiber vor.
Bis zum Herbst wollen
sich die Bundesländer
beraten, wie es weiter
gehen soll.
„Einbürgerung steht am
Ende des Verfahrens,
nicht am Anfang“,
betont Schäuble.
Allen
Parteien ist klar,
dass sie über Jahre
hinweg tatenlos
zugeschaut haben, wie
sich eine viel zu
große Gruppe
arbeitsloser und
schlecht ausgebildeter
Ausländerkinder bilden
konnte, die jede
Achtung gegenüber
staatlicher Autorität
verloren hat. Für den
Gewalt- und
Jugendforscher Wilhelm
Heitmeyer an der
Universität Bielefeld
steht ein Zusammenhang
zwischen politischer
Gleichgültigkeit und
falscher
Integrationspolitik
fest: „In Deutschland
werden
Migrantenjugendliche
unter anderem auch auf
Sonderschulen
abgeschoben – das kann
das bisher hohe
Gewaltniveau an
Sonderschulen noch
verstärken. Wer sich
aber nicht anerkannt
fühlt, erkennt auch
soziale Normen nicht
an: nicht die
Gleichwertigkeit von
Menschen und nicht die
psychische und
physische
Unversehrtheit.“
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