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Deutsch als Mittel zur Integration?
erschien in Mai 2006

Von Claudia Lepping, Redakteurin der Stuttgarter Nachrichten, Ressort Politik 

Und wieder ist die Republik über sich erschrocken. Mit ganzer Wucht trifft sie die Erschütterung über die Erkenntnis, wie schlecht Ausländer in Deutschland integriert sind. Nicht alle Ausländer freilich, aber vor allem jene, deren Eltern vor mehr als 30 Jahren als Gastarbeiter oder aus dem arabischen Raum eingereist sind. Ganze Generationen von Ausländern leben in abgeschlossenen Parallelgesellschaften, vor allem in den Gettos der Großstädte. Die jüngsten von ihnen rebellieren inzwischen gegen Schulen und Lehrer – jetzt bat das Kollegium einer Hauptschule in Berlins früherem Proletarier-Kiez Neukölln um die Auflösung seiner Schule, weil ihnen zu wenig Respekt entgegen gebracht wird und  weil sie dadurch ihrem Erziehungs- und Bildungsauftrag nicht nachkommen können. Immer wieder mussten Lehrer per Mobiltelefon Hilfe anfordern,  da sie sich allein nicht gegen randalierende Jugendliche durchsetzen konnten. Nur Tage zuvor hatte eine Realschule in der Stadt beschlossen, dass auf dem Schulgelände nur noch Deutsch gesprochen wird. In beiden Schulen liegt der Anteil von nichtdeutschen Schülern bei über 80 Prozent.  

Deutsch – das Mittel zur Integration? Seit Wochen werden in Deutschland Fragebögen  entworfen, die jene Ausländer beantworten sollen, die eingebürgert werden wollen: Wer hat die Uranspaltung entdeckt? Wie heißen drei Philosophen? Welche Mittelgebirge gibt es? Am Anfang stand eine Idee aus Baden-Württemberg: Bevor ein Ausländer eingebürgert wird, soll er beweisen, dass er die deutsche Sprache beherrscht und die Werte der Gesellschaft anerkennt. Andernfalls muss er einen Sprach- und Orientierungskurs besuchen. Bonmot am Rande: Baden-Württemberg hatte 1999 für seine Wirtschaftsregion geworben – mit leiser Selbstironie über die schwäbische Mundart: „Wir können alles. Außer Hochdeutsch.“  

Inzwischen hat auch Hessen einen Fragebogen erstellt, was Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble auf die Idee brachte, einen nationalen Fragenkatalog zu formulieren. Vielleicht wird es aber auch Interviews nach amerikanischem Vorbild geben – dies schlägt Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber vor. Bis zum Herbst wollen sich die Bundesländer beraten, wie es weiter gehen soll. „Einbürgerung steht am Ende des Verfahrens, nicht am Anfang“, betont Schäuble.

Allen Parteien ist klar, dass sie über Jahre hinweg tatenlos zugeschaut haben, wie sich eine viel zu große Gruppe arbeitsloser und schlecht ausgebildeter Ausländerkinder bilden konnte, die jede Achtung gegenüber staatlicher Autorität verloren hat. Für den Gewalt- und Jugendforscher Wilhelm Heitmeyer an der Universität Bielefeld steht ein Zusammenhang zwischen politischer Gleichgültigkeit und falscher Integrationspolitik fest: „In Deutschland werden Migrantenjugendliche unter anderem auch auf Sonderschulen abgeschoben – das kann das bisher hohe Gewaltniveau an Sonderschulen noch verstärken. Wer sich aber nicht anerkannt fühlt,  erkennt auch soziale Normen nicht an: nicht die Gleichwertigkeit von Menschen und nicht die psychische und physische Unversehrtheit.“    

 

© 2006 All content property of European Weekly unless where otherwise accredited

 

 

 


 

 

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